Von Friedrich Berndt
Die Wissenschaft behauptet, dass die Profanhäuser der Romanik aus Holz gebaut waren. Wir alle wissen nicht, wie das bürgerliche Haus der romanischen Zeit in Steyr ausgesehen hat. Und wenn wir ein nachweisbar uraltes Haus finden, dessen Bau niederdrückend und schwer wirkt, und wenn sich sogar anscheinend romanische Säulen darinnen zeigen, wir müssen mit den Achseln zucken, wenn wir um das Alter des Hauses gefragt werden. Man kann sich nicht gegen die Wissenschaft stellen, wenn man ihr nicht absolut Sicheres entgegenzustellen vermag. Darum kann ich auch keinen Repräsentanten eines romanischen Bürgerhauses in Steyr zeigen. Meiner bescheidenen Meinung nach haben unsere Vorfahren den Steinbau non den Römern gelernt und sie haben dort, wo ihnen der Stein sozusagen arm Wege lag (Kugelstein der Enns, Konglomeratstein), auch ihre Häuser aus Stein gebaut.
Emmerich Schaffran setzt die Jahre 1230—1300 als Zeit der Frühgotik im Baustile fest. Dieser Zeitabschnitt wird somit auch für die Bauten dieser Stilepochen in Steyr verbindlich sein. Die Spätgotik währte von 1450—1530.
Die Frührenaissance lässt Schaffran 1490 beginnen und 1540 enden. Sie läuft also einige Jahrzehnte mit der Spätgotik parallel. Die Hoch- und Spätrenaissancezeit dauerte bis zum Jahre 1620. Da am Nordrand der Stadt sehr viel lehmiger Grund zu finden ist, waren auch das Ziegelbrennen und der Ziegelbau hier schon frühzeitig bekannt und in der Renaissancezeit schon stark im Brauch.
Der Barockstil kam um 1620 zu uns und währte bis 1760. Schon um 1740 war für die Innengestaltung das elegante und spielerische Rokoko in Mode. Es wurde 1770 vom Klassizismus abgelöst.
Bild 1: Gotik.
Der Steyrer Repräsentant der gotischen Zeit ist das spätgotische Bummerlhaus, Stadtplatz Nr. 32. Dieses reichst geschmückte Haus wurde vermutlich im Jahre 1497 aus zwei Häusern zusammengebaut. Ihm haften noch die typischen gotischen Merkmale an: der steile Giebel und das Maßwerkband in der Brüstung des vorkragenden ersten Stockwerkes. Einen besonderen Schmuck aber erhält die Fassade durch das kleine, gekuppelte und spitzbogige Dachfenster und durch die durch Blenden aufgelösten Wandflächen. Die Innenflächen der Blenden wurden — vielleicht in einer späteren Zeit — durch zarte Malereien in lichten Tönen belebt. Sehr zierlich ist das Kranzgesims unter dem Dache des Breiterkers gestaltet. Bemerkenswert ist auch die mit Malereien geschmückte Tragkonstruktion des Erkers. Nicht mehr die über schmalen Steinkonsolen gespannten Bogen, sondern gewölbefußartige Mauervorsprünge tragen ihn.
Bild 2: Renaissance.
Während in der Zeit der Gotik die Kunst des Steinmetzen für den Schmuck des Hauses ausschlaggebend war, tritt in der Renaissance die Geschicklichkeit des Maurers in den Vordergrund.
Die Revolution des Zeitgeistes drückt sich in den Bauformen besonders aus. Man sieht nicht mehr die steilen, die Häuserfront nach oben auflösenden Giebel, sondern lässt meist den Dachfirst parallel zur Gassen- oder zur Platzflucht verlaufen. Die Dachneigung ist nicht mehr 60°, sondern nur mehr 45°. Sie genügte für eine gute Regenwasserabfuhr und entsprach dem neuen Baustil, der die Betonung des Horizontalen verlangte, weit besser.
Unser Vertreter der Renaissance ist das Haus Pfarrgasse Nr. 1. Es wurde im Jahre 1582 von der Witwe des Eisenhändlers Georg Gruber, einer wiederverehelichten Händl, erbaut. Wie einfach und doch vornehm wirkt die Fassade dieses Hauses! Erstes und zweites Stockwerk sind durch einfache, horizontale Bänder geteilt. Profilierte Fensterverdachungen, die abwechselnd segmentförmige und dreieckige Form haben, bilden den Schmuck der Fenster. Der Wechsel der Formen in einem Stockwerk weist schon auf barocke Gesinnung hin. Ebenerdig fehlen die Fensterverdachungen. Die Wand ist durch Putzquadern belebt. Nur das mehr geschmückte Portal gibt dem Gebäude eine reichere Note. Auffallend bei diesem Haus ist der Runderker, den mir aber in der alten Stadt überall dort finden, wo ein Platz in eine schmale Gasse ausmündet.
Ein anderer schöner Repräsentant eines Renaissance-Nutzbaues ist der Innerberger Stadel (1612), der eines Schlosses das Engelseck (1642).
Bild 3: Barock.
Das Haus Berggasse 26 ist ein meisterhafter Barockbau, wenn auch die Mauern des Erdgeschosses schon aus älterer Zeit stammen dürften. Wir werden nicht fehlgehen, diesen Bau dem Meister des Barocks in Steyr, Gotthard Hayberger, zuzuschreiben. Ihm verdanken wir auch unser schönstes Amtsgebäude, nämlich das Rathaus (1771).
Unser Repräsentant zeigt, dass eine ungemein schmuckfreudige Zeit in Blüte war. Der ideenreiche Architekt konnte sich auf die Kunst der Maurer und Stuckateure voll verlassen. Monumentale Pilaster verbinden die beiden Stockwerke. Der Raum zwischen den geschwungenen Fensterverdachungen und den steinernen, einfachen Fenstergewänden ist mit geschmackvollen Plastiken ausgefüllt. Das Erdgeschoß ist einfach mit Putzquadern geziert. Die Fenstergitter sind stilgerecht geformt. Vollkommen neu ist die gebrochene Form des Daches: das Mansardendach. Abwegig ist es, nur nach der Form der Fassade auf das Alter des Hauses zu schließen. Allzu oft wurde das Kleid des Hauses modernisiert. Man muss auch das Innere des Baues überprüfen, denn jede Zeit hat andere Bedürfnisse und Gewohnheiten in der Anlage und Ausgestaltung
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Dezember 1949