Micheldorf in Oberösterreich
Die Marktgemeinde im oberen Kremstal war schon zur Hallstatt-Zeit besiedelt. Im 4. Jahrhundert wurde auf dem Georgenberg eine frühchristliche Kirche errichtet. Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert erlebte Micheldorf als Zentrum der Sensenproduktion eine Hochblüte, woran heute das Sensenschmiedemuseum erinnert. Micheldorf zählt mit einer Größe von etwa 50 km² und seinen nunmehr fast 6.000 Einwohnern flächenmäßig und mit Hinblick auf sein wirtschaftliches Wachstum zu den größten Gemeinden Oberösterreichs.
Schon im 10. Jahrhundert berichtet eine Urkunde über den Bestand eines größeren Dorfes im Bereich der Oberen Krems. Das Wort „Michel“ bedeutet im Mittelhochdeutschen soviel wie „groß“ und kommt in einigen Flurnamen, wie „Michelberg“ ua. ebenfalls vor. Einst zum Königreich Norikum mit seiner Hauptstadt auf dem Kärntner Magdalenaberg gehörig, wurde das Gebiet nach den Illyrern von den Kelten bewohnt und erlebte unter der Herrschaft der Römer bis zum Beginn der Völkerwanderung eine Zeit wirtschaftlicher Blüte. Zur Sicherung ihrer neuen Provinz Norikum errichteten die Römer entlang der Donau eine Reihe von Legionslagern und Kastellen, die sie mittels gut angelegter Straßen mit ihrem Mutterland verbanden. Einem prähistorischen Straßenzug folgend, bauten die Römer über den Pyhrnpaß, durchs Teichl-, Steyr- und Kremstal führend, eine Poststraße nach Ovilava (Wels). Tutatio, man nimmt an, dass es im Bereich des Müllerviertels gelegen haben muss, war eine der Poststationen an dieser wichtigen Straße, deren Verlauf durch das Tal man heute noch vom Georgenberg aus verfolgen kann.
Der Georgenberg, das Wahrzeichen des Oberen Kremstales, gab einer keltischen Fliehburg Platz, innerhalb deren Wällen sich ein Umgangstempel, ein römischer Wachtturm und ein Gräberfeld befanden. Die Grabungen des Jahres 1956 und der folgenden Jahre ergaben ein aufschlussreiches Bild über die Situierung der Anlagen und der Gräber. Tempel und der um das 2. Jahrhundert errichtete Wachturm wichen bereits um das 4. Jahrhundert einer frühchristlichen Kirche, deren Apsidenbogen unter dem Pflaster des gotischen Chores der heutigen Kirche freigelegt werden konnte.
Die neolithischen Funde aus dem Humsenbauernkogel, jene in der Krems und die bronzezeitlichen Streufunde lassen zusammen mit dem auf dem Georgenberg erzielten Grabungsergebnis und jenem des karolingischen Gräberfeldes in Kremsdorf auf ein Siedlungskontinuum im Micheldorfer Bereich von mehr als 4000 Jahren schließen.
Am Ende der Völkerwanderungszeit bevölkerten die Alpenslawen die Ostalpen und kamen auch in unser Gebiet. Sie dürften auch noch längere Zeit nach der Landnahme durch die Bayern und Franken hier gesiedelt haben. Heute erinnern nur mehr Namen wie Grätzmühle und Agonitz an sie. Die germanischen Landnahme dürfte nicht besonders stürmisch erfolgt sein, sodass ein Nebeneinander der beiden Völkerschaften und ein späteres Insichaufgehen möglich wurde. Schon im 12. Jahrhundert war die Siedlungswelle mit der Besiedlung der Talhänge und des Bereiches der Streusiedlung Altpernstein verebbt.
Im 15. Jahrhundert entstanden in Micheldorf, vorerst im bescheidenen Ausmaß, die Wasserkraft der Krems nutzend, die ersten Sensenschmieden. Die rasche Entwicklung dieses Erwerbszweiges brachte es mit sich, dass schon im Jahre 1595 sich die 13 in Micheldorf arbeitenden Meister und 36 weitere der umliegenden Täler zu einer Zunft vereinigten und eine Zunftordnung beschlossen. Als Beischlag zu ihren Marken wählten sie die Buchstaben K-M (Kirchdorf-Micheldorf), welche in Folge der Güte der Erzeugnisse später Weltruf erlangten. Die KM-Zunft galt für die damalige Sensen- und Sichelindustrie als wegweisend. War doch der Micheldorfer Conrad Eisvogel der Erfinder des Breithammers und leitete durch eine neue Epoche für das Sensenhandwerk ein. Wenn auch das Geschlecht der Jörger auf Pernstein die Entwicklung des Sensenhandwerkes förderte, Wohlstand im Tale einkehrte und die Sensenherrn gern als schwarze Grafen bezeichnet wurden, bleiben doch auf Meisternamen wie Grätt, Kaltenprunner, Zeitlinger, Pfusterschmied, Weinmeister, Steinhuber, Hierzenberger u.v.a. mit der Geschichte und dem Schicksal dieses Erwerbszweiges eng verbunden. Während die meisten Sensenschieden Micheldorfs vor und nach dem 1. Weltkrieg in Folge Absatzschwierigkeiten und Unrentabilität ihre Erzeugnisse einstellten, wurde in der „Am Gries“, heute besser unter dem Namen „Graden“ bekannt, bis 1966 gearbeitet. Durch das große Verständnis der heutigen Besitzer des Werkes und durch die rührige Tätigkeit des Vereins zur Erhaltung der Kulturgüter der Sensenschmiede sowie durch Mithilfe der Gemeinden und des Landes Oberösterreich war es möglich, ein Museum für das Sensenschmiedhandwerk in diesen Objekten einzurichten. Das vorhandene Ensemble, bestehend aus Herrenhaus, Hammer und Kram, bot sich hier vorzüglich an.
Die Wasserkraft der Krems und der Waldreichtum unseres Tales boten einem weiteren Erwerbszweig eine gute Existenzmöglickeit. Hier waren es die Herren von Klaus, die schon im 17. Jahrhundert die Erzeugung von Schwarzpulver förderten. Es handelte sich hierbei um die einzige Pulvermühle Österreichs.
Burg Altpernstein und der Georgenberg können als die Wahrzeichen des Oberen Kremstales angesehen werden. Wie eingangs berichtet, stand bereits im 4. Jahrhundert auf dem Georgenberg, der allerdings erst 1334 urkundlich erwähnt wird, eine frühchristliche Kirche. Die heutige Kirche folgte einem romanischen Bau. Der Chor stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, das barocke Langhaus wurde 1610/1611 angebaut. In den letzten Jahren wurde die der Gemeinde gehörige Bergkirche renoviert und dient heute als Hochzeitskirche. Seit dem Jahre 1925 hat sich der Brauch eines Georgirittes erhalten. Der Ritt, von Micheldorf ausgehend, auf den Georgiberg erfolgt jedes zweite Jahr am Sonntag nach Georgi. Durch den Erwerb der Kirche auf dem Georgenberg durch die Jörger besteht eine eine Verbindung mit Pernstein. Dadurch, dass die Jörger dem Protestantismus anhingen, wurden während der Refomationszeit evangelische Gottesdienste in der Georgenbergkirche abgehalten und am Übergang von Micheldorf nach Hinterberg (Burghals) ein Friedhof für die Anhänger der lutherischen Lehre angelegt. Während der Gegenreformation wurden die evangelischen Gottesdienste in der Kirche verboten und der bestehende kleine Friedhof wieder eingeebnet.
Die auf einer Felsnase des Westabhanges des Hirschwaldsteins stehenden Burg Altpernstein dürfte im 11.Jahrhundert zum Schutze der durchs Talführenden wichtigen Handelsstraße errichtet worden sein. Als erster bekannter Besitzer wird für die Zeit von 1177/1200 der Ministeriale Pillung von Pernstein genannt. 1222 scheint ebenfalls ein Ministeriale, Heinrich von Grafenstein, als Besitzer der Burg auf. Die Truchsen, Wallseer und ein Hans von Lichtenstein folgten. Nach der Beschlagnahme des Lichtenstein´schen Besitzes ging die Burg in den Besitz des Landes über, wurde mehrmals verpfändet und von Pflegern verwaltet. Christoph Jörger löste sie mit Erlaubnis Ferdinands I. aus. Nach der 1529 erfolgten Auslösung ging die Burg 1581 in den Besitz der Jörger über. Nachdem unglücklichen Ausgang des Adelsaufstandes im Land ob der Enns verstarb der letzte Jörger, Karl, nach seiner Gefangennahme 1622 auf der passauischen Festung Oberhaus. Seine Güter wurden beschlagnahmt. Nach der Konfiskation erwarb Johann Ulrich, Herzog von Krumau, Pernstein, von dem aus den Bauernkriegen berüchtigten Adam Graf Herberstorff übernahm. Herberstorff erfreute sich nicht lange des Besitzes und seine Witwe verkaufte ihn 1629 schon nach vier Jahren an das Stift Kremsmünster. Die sich heute noch im Besitze des Benediktinerstiftes befindlichen Burg wurde 1948 an die Diözese Linz verpachtet und von dieser ein Schulungszentrum für die Kat. Jugend errichtet. Eine Reihe wichtiger Reparaturarbeiten, welche die Diözese finanzierte, trugen zur Erhaltung dieses Kleinods des Burgenbaues bei.
Die in alten Urkunden erwähnte Burg Schellenstein gegenüber Pernstein auf dem Osthang des Thurnhamberges ist vollkommen verfallen. Aufgrund der Beschaffenheit der Örtlichkeit des Standortes kann es sich nur um eine kleine, unbedeutende Anlage, vielleicht auch nur um einen Turm gehandelt haben. Eine kleine in den Felsen gehauene Zisterne und der Name Thurnham erinnern noch daran.
Die Seelsorge in Micheldorf teilten sich die Pfarren Micheldorf, Heiligenkreuz und Klaus an der Pyhrnbahn sowie die Stadtpfarrkirche Kirchdorf an der Krems. Das Kirchlein von Heiligenkreuz, an einem mittelalterlichen Straßenzug gelegen, wurde 1534 geweiht. Dieser kleine spätgotische Bau erhielt 1954 ein Chordeckenfresko des bekannten Malers Fritz Fröhlich. Da der Großteil Micheldorfs zur Pfarre Kirchdorf gehörte, wurde 1913 mit dem Bau der hiesigen Pfarrkirche begonnen und diese mit dem Bau des Turmes 1977 vollendet. Seit 1953 ist Micheldorf eigene Pfarre.
Wenn auch nach schweren Krisen das weithin hörbare Pochen der Sensenhämmer verstummte, ergab sich doch kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges, der Micheldorf viele Opfer kostete, ein ungeahnter Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens. Holzindustrie, Maschinenfabriken, Metallwarenerzeugung ua sind Garanten des neuen Wohlstandes. Eine dem Fortschritt aufgeschlossene Gemeindeverwaltung ist um das Wohl des Ortes besorgt. Der Bau von Siedlungen und Wohnungen für die ständig wachsende Bevölkerung, der Bau der neuen Schule, des neuen Kindergartens, Bau-, Kanal-, und Straßenbau sind Marksteine auf dem Weg in eine aussichtsreiche Zukunft.
Auf Grund der kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung wurde Micheldorf im Jahre 1996 zum Markt erhoben. Mit Recht lobte Adalbert Stifter die Schönheit des Tales der Oberen Krems in einer seiner Schriften. Eingebettet, einer Parklandschaft gleich, in Obstgärten, umschlossen von den Höhen des Thurnhamberges, den Steinwänden der Kremsmauer und den Händen des Hirschwaldsteins liegt Micheldorf, dessen Bewohner Fleiß und Gastfreundschaft auszeichnen.