Wohnsitze der Messerverleger in Steinbach-Grünburg
von Dr. Heinrich Kieweg
Das „ehrbare Handwerk der Messerer, Scharsacher und Klingenschmiede in Steinbach“ hatte ca. 20 Messerverleger, welche den Fernhandel besorgten und eine beherrschende Stellung im Handwerk hatten. Davon zählte man um 1828 neun Verleger im Raum Steinbach-Grünburg und elf Verleger in Neuzeug-Sierninghofen. Sie gehörten zum gehobenen Landbürgertum, von ihrem Wohlstand zeugen ihre prächtig verzierten Häuser. Allerdings muss man wissen, daß die Blütezeit der Messerer schon im 15.-16. Jh. lag, mit einer großen Krise während der Gegenreformation, als viele Messerer auswanderten. Danach erholte sich das Messererhandwerk langsam, erreichte aber sein vorheriges Niveau nicht mehr. Zwar brachte das 18.- Mitte 19. Jh. noch einen gewissen Wohlstand. Aber das war nur mehr ein Abglanz früherer Zeiten, ein romantisierendes Erinnern an die Zeit, als das Handwerk noch goldenen Boden hatte, als man vom „goldene Steinbach“ sprach. Daher kommt es, dass das Herrenhaus der Humpelmühle noch die Renaissance-Fassade aufweist.
Im Vergleich zu den Sensenschmieden, welche die Wasserkraft für ihren Betrieb benötigten und daher immer am gleichen Standort blieben, konnten die Messerer als Hausgewerbe den Wohnsitz wechseln, weil sie (mit Ausnahme der Schleifer, welche arm waren und keine Herrenhäuser bauten) nicht auf die Wasserkraft angewiesen waren. Durch den Niedergang der Kleineisengewerbe in der 2. Hälfte des 19. Jh. verarmten viele Messerer und mussten teils ihre Häuser verkaufen. Das bedeutet, dass bis auf 2 Verlegerhäuser keines mehr im Familienbesitz ist. Nur an der Größe und besonderen Verzierungen sieht man den Häusern an, dass einst vermögende Messerhändler hier gewohnt haben.
Der springende Punkt bei unserem Thema: Was ist ein Herrenhaus? Es gab reichere und weniger vermögende Verleger. Erstere hatten auffallend große, schön verzierte Herrenhäuser. – Kleinere Verleger hatten Bürgerhäuser, die sich nur durch Lagerräume „Gewölbe“ von anderen unterschieden, aber unter den heute üblichen Häusern nicht mehr auffallen. Auch ist der Gebäudezustand sehr unterschiedlich, einige Fassaden benötigen dringend eine Renovierung, manche Häuser sind längst demoliert.
- Herrenhaus der Humpelmühle, Steinbach, Humpelmühle Nr. 7:
Die Humpelmühle war ursprünglich eine Sägemühle (häufige Kombination einer Getreidemühle mit einem Sägewerk) und ist erstmals um 1310 urkundlich belegt. Das Ensemble bestand 1583 aus dem Herrenhaus, der Mühle mit 5 Gängen, der Säge, 3 Schleifen und einer Lohstampf. 1719 brannte die Mühle ab, glücklicherweise blieb das Herrenhaus unversehrt. Die Werksgebäude wurden um 1920 demoliert, um Platz für eine Holzschleife bzw. später ein Elektrizitätswerk zu schaffen.
Das Herrenhaus ist gut erhalten, die Fassade aus dem 17. Jh. mit Sgraffitoputz, ist vorbildlich renoviert. Im Erdgeschoß und 1. Stock befinden sich gotische Türgewände und Gewölbe. Hier residierte von 1653 bis 1707 die Verlegerfamilie Gsellhofer. Die Gsellhofer waren Messerer-Zechmeister und Amtsverwalter, sie organisierten den Venedighandel neu in großem Stil, worüber sich die Bürger der Stadt Steyr als Konkurrenten bitter beschwerten. Wolf Sebald Gsellhofer erhielt 1637 ein eigenes Wappen und wurde 1654 in den Adelsstand erhoben. Sein Vermögen wurde auf 6.570 Gulden geschätzt. Von ihm ist eine schön geschnitzte Tramdecke „1654 WSG“ (Wolf Sebald Gsellhofer) erhalten. Er hatte ein eigenes Badhaus und besaß 11 Häuser, die er teils schön ausbauen ließ, z. B. das Steinfellnergut in Steinbach, In der Au Nr. 14. Er soll während der Heimfahrt von der Kirche tödlich verunglückt sein, als ein riesiger Felsen auf seine Kutsche herabstürzte. Sein Söhne Hans Adam und Hans Georg Gsellhofer nannte sich ebenfalls stolz „von Gselhoffen“. Seine Neffen Michael, Hans und Wolf Gsellhofer wanderten während der Gegenreformation nach Schlesien aus.
2. Pfarrhof, lt. Grundbuch: Aschhaus, Steinbach, Ortsplatz Nr. 1:
Alte Taverne am Platz in beherrschender Position, Zunftherberge der Messererzeche, Wohnsitz der Messererfamilien Humpl, Gsellhofer, Reßl und Kreßberger, Sitz des Amtsverwalters, Taverne und Fleischhauerei, wurde erst Ende des 20. Jh. Pfarrhof. Die Gaststuben haben schöne Tramdecken: im Erdgeschoß „WH 1612“ (Wolf Humpl), im 1. Stock besonders prächtige, sehr kunstvoll geschnitzte Tramdecken „1758 ACK+FLK“ (Anna Christine + Franz Ludwig Kreßberger).
Hier wohnte 1477 Jörg Messrer, vermutlich Zechmeister des Messererhandwerks, welcher der Pfarrkirche Steinbach ein gotisches Glasfenster stiftete, rechts im Chor zu sehen: Der Stifter kniend mit einem Wappenschild welcher ein Messer zeigt: ein sprechendes Wappen, dazu St. Nikolaus, Schutzpatron der Schiffer und Reisenden; daneben im Glasfenster zwei Frauen mit St. Barbara, Schutzpatronin der Messerergesellen.
3. Raiffeisenkasse, lt.Grundbuch: Diotischhaus, Steinbach, Ortsplatz Nr. 3:
Alte Taverne und Scharsacherhaus, wo Rasiermesser, Feiteln und Kneipe erzeugt wurden. Wohnsitz der Messererfamilien Strasser und Voith. Das Hauszeichen ist erhalten und am Torbogen zu sehen. 1647 wollte die Herrschaft Steyr in diesem Haus eine Brauerei aufrichten; dieser Plan scheiterte aus unbekannten Gründen.
4. Gemeindeamt, lt. Grundbuch: Haus im Aigen, Steinbach, Ortsplatz Nr. 4:
Dieses alte Messererhaus besitzt gotische Gewölbe und einen Sgraffitoputz, welcher bei der letzten Renovierung erhalten blieb. Dazu gehörte ein Herberghäusl mit Inwohnern und eine Schmiede. Hier wohnten ab 1524 die Messererfamilien Scharsacher, Gwenger, Voith und Ludwig. Den schönen Sgraffitoputz ließ Anfang des 17. Jh. wahrscheinlich der Verleger Wolf Gwenger anbringen. Dieses Haus diente Anfang des 18. Jh. einige Jahre als Pfarrhof. Hier soll die Köchin versucht haben, den Pfarrer zu vergiften, worauf dieser nicht mehr in diesem Haus bleiben wollte und in den frühern Pfarrhof zurückkehrte.
5. Hocheggerhaus (Hieslmayr), Steinbach, Ortsplatz Nr.
Hier wohnte im 16. Jh. die Verlegerfamilie Aichperger, und danach ab ca. 1600 Wolf Gsellhofer. Um 1570 hatte der Messerer-Fürmeister Christoph Aichperger genügend Kapital, daß er ein Eisenbergwerk am Gaisberg bei Molln eröffnen konnte, gemeinsam mit dem ehemaligen Bürgermeister von Steyr Sebastian Pürschinger.
6. Hammerschmiedhaus, Steinbach, Hochgasse Nr. 21:
Das Herrenhaus der Hammerschmiede, heute Restaurant Alia, vorm. Gasthaus zur Hammerschmiede, besitzt gotische Türgewände und Gewölbe und ist im 16. Jh. als „Haus an der Pruek“ (Brücke) erstmals erwähnt. Dazu gehörte ein montanistisches Zerrenn- und Streckhammerwerk an der Steyr, welches bis 1873 in Betrieb war. Später wohnte hier Firmenchef Johann Mach der Messerfabrik Mach & Dworczak, danach Heinrich und Ottilie Pils, Betriebsleiter der Messerfabrik Franz Pils & Söhne.
7. Sparkasse, früher Hummeltaverne, Grünburg, Hauptstraße Nr.25:
Stattliche alte Taverne, Sitz der Verlegerfamilien Kreßberger und Ludwig. Über das Standesbewußtsein der Verlegerfamilien erzählt man sich die Geschichte von der stolzen Verlegerstochter Rosalia Ludwig um 1860, die ihrem Verlobten sagte „in das Vogelhäusl ziehe ich nicht“, weil dessen Haus in Steinbach nur ebenerdig war. Erst als dieser einen ersten Stock draufbaute und noch einen Balkon anbringen ließ, zog sie als Braut bei ihm ein.
8. Kirchenwirt, lt. Grundbuch: Hochhaus, Steinbach, Ortsplatz Nr. 8:
Alte Taverne bei der Kirche, ältestes Haus am Platz, erstmals um 1310 urkundlich erwähnt, von 1524 bis 1801 Sitz der Messererfamilien Kernstock, Gsellhofer, Tunkel, Moser, Nusime, Löschenkohl, Haller, Manseer und Peßl. Der Name Hochhaus deutet auf den früheren Sitz einer Herrschaft oder eines herrschaftlichen Verwalters hin. Sein Grundbesitz umfasste das halbe Ortszentrum: Die Kirche, der Dorfplatz samt Dorfbrunnen, und 14 Häuser östlich der Hochgasse sind auf ehemaligem Grund des Hochhauses erbaut.
9. Lindinger, Grünburg, Hauptstraße Nr. 41:
Altes Verlegerhaus, die Fassade wurde straßenseitig erneuert. Sitz der Messererfamilien Straßer, Hönig und Kaindl-Hönig. Im Vorhaus ist ein Merkurstab als Hauszeichen aufgemalt. Schöne Original-Teegläser mit diesem Hauszeichen sind erhalten. Im Privatarchiv Lindinger sind zahlreiche Handwerks-Schriften verwahrt, darunter Hauptbücher mit sämtlichen Lieferungen und Handelspartnern 1844-1879 der Verleger Carl Hönig und 1913-1918 von Max Kaindl-Hönig, dessen Enkel Josef Kaindl-Hönig der letzte Messerverleger in Grünburg-Steinbach war. Die Firma Straßer hatte 1785 Markthütten in Wien, Graz und Radkersburg. Carl Hönig besaß um 1860 in Budapest eine „Fabriks-Niederlage in steirische Tafelmesser, Nürnberger- & Galanteriewaren in Pest, Dreikronengasse 5“.
10. Eisenwaren Hönig, Grünburg, Hauptstraße Nr. 45:
Altes Messererhaus, Sitz der Verlegerfamilie Hönig, deren Stammbaum im Messerermuseum zu bewundern ist, heute Eisenwarenhandlung Karl Hönig. Einziges Verlegerhaus, in dem sich der Handel mit Stahlwaren bis heute erhalten hat!
11. Tibisch, Steinbach, Hochgasse Nr. 9:
Altes Messererhaus, von ca. 1647 bis um 1810 Sitz der Verlegerfamilien Strasser, Derfler, Ludwig und Klinger, später Gemischtwarenhandlung Tibisch. Im Keller befand sich früher ein Knochenboden „Gliederlboden“. 1766 stiftete Zechmeister Johann Georg Ludwig der Pfarrkirche Steinbach den prächtigen Messererkelch, sein Name prangt auf der neuen Zechlade des Messererhandwerks von 1764. Damals wurde ein Grund zugekauft um eine Zufahrt, Tonnengewölbe und einen Pferdestall zu errichten. Franz Klinger & Sohn hatte um 1810 ein Warenlager in Wien, Judenplatz 450.
12. Steinfellnergut, Steinbach, In der Au Nr. 14:
Der Bauernhof ist erstmals 1373 urkundlich erwähnt und erhielt seine schöne Innenausstattung Mitte des 17. Jh. durch den geadelten Messerverleger Wolf Sebald Gsellhofer. Später wohnte hier bis um 1800 die Verlegerfamilie Peßl.
13. ehem. Aschermayr, Waldneukirchen, St. Nikola, Steyrstraße Nr. 5:
Alte Taverne im Harbach, Sitz der Verlegerfamilien Straßer und Ludwig.
14. ehem. Wimmer, Grünburg, Hauptstraße Nr. 15:
Bürgerhaus, 1763 Sitz der Verlegerfamilie Kreßberger, später Warenhandlung.
15. Traunmüller, Grünburg, Hauptstraße Nr. 14:
Sitz der Verlegerfamilie Hönig, später Gemischtwarenhandlung. Friedrich Hönig, Sohn des Verlegers Franz Hönig, hatte Messerer und Maultrommelmacher unter Vertrag. Die Mollner Maultrommelmacher kauften bei ihm ihren Bedarf an Stahl ein. Sein Hauptbuch mit sämtlichen Lieferungen und Handelspartnern 1872 – 1904 ist im Privatarchiv Lindinger erhalten.
16. ehem. Bergerlwirt in Grünburg, Bergstraße 6:
Hier lebte der Verleger Johann Jakob Straßer – er hinterließ bei senem Ableben 1762 Warenlager in Wien und Brünn – und 1763 Viermeister und Verleger Stephan Straßer.
17. ehem. Tierarzt Salcher, Grünburg, Hauptstraße Nr. 36:
Bürgerhaus, 1763 Sitz der Verlegerfamilie Wolf Gottlieb Ludwig.
18. ehem. Bäckerei Sturm, Grünburg, Hauptstraße Nr. 50:
1763 Sitz der Verlegerfamilie Wolf Joseph Ludwig.
Zwei Verlegerhäuser sind längst demoliert:
19. ehemaliges Gemeindeamt Grünburg, Hauptstraße Nr. 31:
An dieser Stelle stand früher das Haus der Verlegerfamilie Straßer. Anton Straßer hatte 1742 Markthütten in Wien und Graz. Wolf Ludwig Straßer besaß 1763 das Untergmachlgütl in Steinbach, Forstau Nr. 32 als Überländ.
20. heutige Raiffeisenkasse Grünburg, Hauptstraße Nr. 35:
Hier stand früher en altes Verlegerhaus. 1763 ist die Familie Ludwig bezeugt. Das Gebäude wurde demoliert, bevor Prof. Gölath seine Villa erbauen ließ. Heute Raiffeisenkasse.